Weil ich mit dem Wort cradle erstmals in der 5. Klasse und auch lange danach nur in Form des Bandnamens Cradle of Filth in Kontakt kam, hat dieses englische Wort für Wiege bis heute für mich NULL positive Konnotationen. Ich verbinde damit ausschließlich inhumanes Gekeife, Tod, Blut, Satan, Verderben et cetera.
Nachdem ich in der Grundschule am liebsten Pop- und Rapmusik gehört hatte, favorisierte ich nach dem Übertritt auf die Hauptschule Crossover, also das Crossover aus Rap und Metal, wie es beispielsweise Clawfinger anboten. Ein Mitschüler aus der 7. Klasse führte uns Buben, die wir auch Zeuch wie Rammstein gernhatten, an härtere Sachen heran. Er hörte schon Black und Death Metal.
Das Inlay einer Kassettenhülle, auf die er uns Death Metal mir unbekannten Ursprungs überspielt hatte, beschriftete ich mit – worüber er sehr lachen musste – »Desk Metal«, weil ich einerseits noch fast kein Englisch konnte und er die Genrebezeichnung andererseits freilich mehr wie Dess Mettl aussprach. Auf der Kassette befand sich aber, da bin ich mir heute recht sicher, wohl eher Black statt Death Metal. Und mir scheint, es müsste sich um Cradle of Filth gehandelt haben.
Im Kinderzimmer legte ich die Kassette ein und drehte auf, aber dann gleich wieder leise, denn ich hatte Angst, meine Eltern könnten mich mit diesem Teufelszeug erwischen. Und vor dem Teufelszeug selbst war mir auch angst. Wer auch immer da so unmenschlich kreischte und keifte, war für mich so real total-maliziös, wie es Horrorgestalten für Kinder eben sind, wenn der Unterschied zwischen Figur und Darsteller*in noch unbekannt ist.
Ein als mystisch-böse wahrgenommener 18jähriger Langhaariger aus einem der Bauerndörfer des Hauptschuleinzugsgebiets hatte sogar einen Dimmu-Borgir-Heckscheibenaufkleber! Sechstklässlergeschichten, er feiere nachts schwarze Messen an Kirchenaltären und auf Friedhöfen, glaubte ich freiweg.
Was gäbe ich dafür, zu wissen, was auf der Kassette drauf war, und es noch mal hören zu können!